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“固执就是我强大的驱动力”,身兼六职的女作家在柏林

塔妮亚·杜克斯 北京德国文化中心歌德学院 2023-11-03

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塔尼亚·朗格尔于腓特烈大街火车站前 | 摄影:苏珊娜·施莱尔


身兼作家及出版人的塔尼亚·朗格尔信步于在柏林市中心的河畔,柏林剧团及昔日两德边界——腓特烈大街近在眼前。这个历史的发生地汇聚了河流与城市,诗歌及政治,给朗格尔这位开拓性的思考者带来灵感。


“柏林很多地方我都十分热爱,很难说哪个地方是‘最’喜欢的。”作家塔尼亚·朗格尔(Tanja Langer)对我说。此时此刻,她正头戴一顶酒红色贝雷帽,面无惧色地迎着夹裹冰雹的狂风冷雨和我一起沿着造船工人大街漫步。朗格尔1962年生于威斯巴登,在柏林生活了三十多年,俨然是半个柏林人。“但我对施普雷河畔与腓特烈大街火车站一带最情有独钟,在这里你能体会一种河流与大都市水乳交融的美妙感觉。”她滔滔不绝地说,“比如依水而建的现代火车站,各种各样的事物彼此交汇,大都会的花花世界与玻璃、钢铁和水等自然元素交织融合,一切都是那样美。”坐落在柏林米特区的造船工人大街之所以得名,有赖早先在此蓬勃发展的造船业。17世纪末,在今天的国会大厦滨河大道(Reichstagsufer)上兴建了一家造船厂。据说,腓特烈一世希望乘着碧浪轻波在他的大小宫殿之间泛舟而行,而不是在尘土飞扬的乡间路上车马劳顿、一路“颠簸”。但这并不仅仅是出于对一种浪漫出行方式的偏爱——造船厂同时也在制造战舰。


腓特烈大街站曾经不仅仅是个乱糟糟的车站


拥有135年历史的腓特烈大街火车站,坐落在施普雷河对岸的国会大厦滨河大道上。该火车站的日均客流量多达21万人次,是德国最繁忙的火车站之一。车站始建于1882年,1925年为满足急速膨胀的交通需求而进行全面扩建,入口处也随之拥有了与时代风貌协调一致的表现主义风格建筑。二战期间,地处市中心的火车站遭到严重损毁,在战争接近尾声时与柏林的其他许多火车站一样被洪水淹没,导致无数平民丧生。1945年夏天,前来柏林参加波茨坦会议的斯大林一行抵达腓特烈大街车站,车站还专门沿干线铺设了一段铁轨以适应俄式机车轮距。在东西德分裂时期,这里曾是最重要的一处边境口岸。


腓特烈大街火车站今昔 | wikipedia.org


“对我来说,腓特烈大街火车站也和自己的许多亲身经历联系在一起,”塔尼亚·朗格尔向我娓娓道来,“那时我和一个从东德逃出来的朋友约好在她过境时见面——我自己在柏林墙倒塌三年前就已来到西柏林。然而到了约定的时间朋友却迟迟没有出现在边检站,我忐忑不安,心想她会不会是遇到了什么麻烦,在当时这可能意味着牢狱之灾或其他不测。我等啊等啊——那时候还没有手机!——最后只能一个人回到威丁区(Wedding)我住的那所小房子,结果却发现她已经站在门口了……”


散步途中我们虽然没有走得太远——不仅仅是因为劈头盖脸吹来的冰雹,塔尼亚并不是那种弱不禁风的人——但造船码头方圆两百米内的每个地方都能勾起她的某段回忆。“‘土豆地窖’”是一家另类小酒馆,我在那里遇到过一个特别怪异的人……”一个接一个的故事让我应接不暇。所以,这位知名作家不仅著作颇丰,而且广泛涉猎各种文体,也就不足为怪了。


早年与遭恐怖组织暗杀的银行家的友谊


塔尼亚·朗格尔早年编剧出身,当时的她常常率领一个名为“安娜·欧”(Theater Anna Oh)的剧社演出自己创作的戏剧。1999年,她的长篇处女作《艾斯戴尔海岬》(Cap Esterel)问世。在这部以蔚蓝海岸(Côte d'Azur,法国东南沿海与意大利接壤的大片滨海地区,以富豪奢华而著称——译注)为背景的爱情小说中,她在塑造人物方面的卓越天分展露无疑。此后她又出版了六部长篇小说,两部轻歌剧,若干歌曲及话剧,两部传记小说(分别关于克莱斯特/其女友亨利埃特·弗格尔与画家爱德华∙蒙克),一本摄影文集以及两部广播剧。


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其中一部分作品带有明显的自传色彩,如《在明媚的天气写信给你》(Der Tag ist hell, ich schreibe dir, 2012)。这部小说刻画了八十年代早期她与当时赫赫有名的德国银行家阿尔弗雷德·赫尔豪森(Alfred Herrhausen)之间的一段不解之缘。赫尔豪森1989年死于一起由极左恐怖组织红军旅(Rote Armee Fraktion)策划的暗杀事件。长篇小说《叫我瘾君子或者野蛮人》(Der Morphinist oder die Barbarin bin ich,2002)则融入她对当代德国处理纳粹历史遗留问题方面的体会。朗格尔的作品大多是从当代角度出发对历史所做的一种审视,这也为她赢得了“‘此时此地’最佳创作奖”。


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傻瓜首领与天才(或者音乐之路)


近年,她开始对歌剧感兴趣,并积极尝试与音乐人合作。最新作品名为《奥瓦尔塔西——疯狂、怪诞而可爱》(Ovartaci - crazy, queer und loveable),前几场在柏林预演,观众好评如潮。马丁·达斯科(Martin Daske)、莱纳·鲁伯特(Rainer Rubbert)和夏洛特·塞特尔(Charlotte Seither)等十一位新音乐流派的代表分别为这部轻歌剧中的个别场景谱曲。奥瓦尔塔西(Ovartaci本名路易斯·马尔库塞,1894-1985)是一位命运多舛的丹麦艺术家,在他的漫长一生中,有数十年都是在精神病院度过的。马尔库塞根据日德兰语中的“Overtossi”(意为“白痴”)一词给自己取名为奥瓦尔塔西。这是一位有着丰富精神世界的边缘人,他的生平和作品令塔尼亚朗格尔着迷不已。要想为一个如此庞杂的跨领域项目找到理想的合作伙伴,在柏林这个艺术家云集的大都市比其他任何地方来得都容易。


狡猾、恬淡又固执的水牛——他们可与文学有关


两年前,塔尼亚·朗格尔成立了自己的出版公司——“Bübül”。“为什么叫‘Bübül’?”出版社的命名勾起了我几分好奇。我和她在一间小咖啡店,喝着热气腾腾的咖啡,窗外卷着冰雹的冷雨连绵不断。“有天晚上我梦到自己成立了一间出版社,名字就叫‘Bübül’,真的!”公司Logo是一只小小的水牛头。水牛是一种聪明、沉静而又倔强的动物——要想在柏林的出版业界闯出一片天地也必须具备这样的品质。“Bübül”听上去很像波斯-土耳其语里的Bülbül——意为“夜莺”——诗歌的象征。自成立以来,公司出版的小书一直都销路不错。或许也要归功于温馨可爱的装帧设计:塔尼亚·朗格尔专门聘请艺术家完成每一本书的视觉设计。其中一部分为双语绘本。“柏林一共有126种语言,”她说,“我希望我们的出版物多多少少能折射出一点多元化的影子。”身兼数职的她之所以要成立一家出版公司,某种程度上也是因为有影响力的大出版社往往安于现状,无意求新。她想要的其实很简单:做一些自己喜欢的项目,将更多装帧精美但价格实惠的好书推向市场。“小夜莺”便是她策划的一个童书系列。


塔尼亚·朗格尔亲自动笔创作了一个特别精彩的故事:短篇小说绘本《唱歌的小鸟,倒着飞》(Singvogel, Rückwärts)两年前在Bübül出版,克里斯蒂娜·瓦特贝格(Christiane Wartberg)为该书绘制了与原著文字风格高度契合的精美插图。在这部作品中,作家以一种冷峻、粗犷且不落俗套的笔触讲述了一个到波兰寻亲的故事。


作家、沙龙主人、出版商、歌舞剧编剧、戏剧导演、三个女儿的母亲——塔尼亚·朗格尔无疑有着异于常人的旺盛精力,谈到自己时她说“我不分昼夜地工作”,“固执就是我强大的驱动力”。与那些安于象牙塔生活的作家不同,2015年秋,难民大规模开始涌入柏林的时候,塔尼亚·朗格尔便第一时间向那些初来乍到的流浪者伸出援手。她解释,这或许和她的亲身经历有关:父母当年都是来自上施利西亚(Oberschlesien,现波兰的一部分)的难民。所以如今她和家人也收留了一个途经兰佩杜萨逃到柏林的尼日利亚女人;她还帮助了一位从马里远道而来的年轻难民,后来按照《都柏林协议》的有关规定这位难民被德国政府遣返至意大利,这让她倍感愤怒:“太荒唐了!他在这里学会了德语,眼看就要得到一份实习生的工作——愚不可及的政策!”


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布莱希特和魏格尔的故居


雨后初晴,当第一缕阳光刚刚洒在柏林的街沿石上,塔尼亚朗格尔便放下手中的咖啡迫不及待地站了起来。她要带我到“BE”看看。所谓“BE”即“造船工人大街上的剧场”的简称,但柏林人都习惯性地把它称作“BE”。造船工人大街是柏林剧团(BE)的固定演出场所。这栋由亨利希·西林(Heinrich Seeling,1852-1932)设计的新巴洛克式建筑矗立在布莱希特广场上,是德国最富丽堂皇的剧院之一,同时也是风云变幻的德国近代史的一个缩影:1882年剧场正式揭幕,并上演歌德的《在陶里斯的伊菲戈涅》(Iphigenie auf Tauris)。首演剧目中还包括格哈特·霍普特曼(Gerhart Hauptmann)、阿诺·霍尔茨(Arno Holz)、马克斯·哈尔贝(Max Halbe)、弗兰克·怀特金德(Frank Wedekind)等人创作的一些批判现实主义作品(如《织工》);1928年,由布莱希特编剧、威尔(Weill)作曲的《三毛钱歌剧》在此首演。这个舞台上汇聚了德国众多知名导演及演员,如马克斯·赖因哈特(Max Reinhardt)、古斯塔夫·格伦德根斯(Gustav Gründgens)等等,后者的导演处女作亦在此首演。但在一战和二战期间,BE同时也充当轻歌剧演出场所,在战争期间一直大力鼓吹“誓死抵抗”的法西斯路线,直到1944年秋由于战争原因而被迫关闭。


自1954年以来,这里一直是海伦·魏格尔(Helene Weigel)与贝托尔德·布莱希特创立的柏林剧团的演出场地。它目睹了数任声名显赫的剧院经理的更迭:从彼得·查德克(Peter Zadeck)到海纳·穆勒(Heiner Müller),再到克劳斯·佩曼(Claus Peymann)。学生时代的朗格尔曾在这里看过沃尔克·布劳恩(Volker Braun)的《过度社会》(Übergangsgesellschaft),还有海讷·穆勒,后来则是查德克。“德意志剧院(das Deutsche Theater)我也一样喜欢,”她说,“这些年我在那里有幸目睹了最高水平的表演或导演作品。”


造船工人大街上的剧场 | wikipedia.org


BE距离腓特烈大街火车站只有一步之遥。尽管塔尼亚·朗格尔和男友及三个女儿住在万湖(Wannsee),但她常常独自乘车到柏林市中心去。或许正因如此,她才能以如此旺盛的精力投入写作、出版、跨领域歌剧项目以及人道主义救助,因为在纷扰喧嚣、光怪陆离的柏林内城,她拥有一个属于自己的精神家园。“每当我站在造船工人大街上,眺望不远处的腓特烈大街火车站和一览无余的河岸风光——无论向东还是向西视野都很开阔——我就从心底知道,我属于这里。”女作家如是说。


原标题:《城市故事:柏林—— “固执就是我强大的驱动力”》

作者:塔妮亚·杜克斯(Tanja Dückers) 1968年出生于德国西柏林, 是一位作家兼政治评论家。她的作品有小说《天体》、《一年中最长的一天》、《游戏区》、《豪森的房间》,杂文集《明天就去乌托邦》以及大量的诗歌集和儿童读物。她定期为德国时代周报在线以及德国广播电台撰写社会政治题材的文章。现与家人居住在柏林。

翻译:史竞舟

版权:歌德学院(中国)



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Stadtgeschichten: Berlin -

„Trotz ist für mich ein starker Antrieb“


Tanja Langer am Bahnhof Friedrichstraße | Foto: Susanne Schleyer


Im Herzen Berlins, am Schiffbauerdamm, fühlt sich die Schriftstellerin und Verlegerin Tanja Langer wohl. An diesem geschichtsträchtigen Ort – das „Berliner Ensemble“ und der ehemalige Grenzübergang Friedrichstraße befinden sich in seiner unmittelbaren Nähe – lässt sich die immer wieder neue Wege einschlagende Querdenkerin von der eigentümlichen Mischung aus Wasser und Stadt, aus Poesie und Politik inspirieren.


„Es fällt mir schwer, nur einen Lieblingsort in Berlin zu benennen“, sagt die Schriftstellerin Tanja Langer, 1962 in Wiesbaden geboren, Wahlberlinerin schon seit über 30 Jahren, während sie unerschrocken mit mir bei Hagelschauer und Graupeln am Schiffbauerdamm entlang spaziert, eine weinrote Barettmütze auf dem Kopf. „Aber diese Gegend hier am Fluss und am Bahnhof Friedrichstraße, diese Mischung aus Wasser und Großstadt, gefällt mir besonders gut“. Sie fährt gleich fort: „Wie der moderne Bahnhof sich hier an den Fluss schmiegt, wie die Dinge ineinander übergehen, das Mondäne und das natürliche Element, Glas, Stahl und Wasser, also das ist einfach sehr schön“. Der Schiffbauerdamm, in Berlins Stadtteil Mitte gelegen, nimmt Bezug auf die früher hier ansässigen Betriebe des Schiffbaus. Ende des 17. Jahrhunderts wurde im Bereich des heutigen Reichstagsufers eine Werft errichtet. Friedrich I. wollte, Überlieferungen zufolge, zwischen seinen Schlössern sanft übers Wasser gondeln, anstatt mit der Kutsche über staubige, sandige Landstraßen zu „rumpeln“. Aber es ging nicht nur um die romantische Fahrweise: In der Werft wurden auch Kriegsschiffe gebaut.


Der Bahnhof Friedrichstraße war mal mehr als nur ein trubeliger S-Bahnhof


Auf der anderen Seite der Spree, am Reichstagsufer, befindet sich 135 Jahren der Bahnhof Friedrichstraße. Mit täglich circa 210.000 Fahrgästen gehört er zu den meistgenutzten S-Bahnhöfen Deutschlands. 1882 erbaut, wurde er wegen des rasch wachsenden Verkehrs 1925 umfassend erweitert und erhielt dem Zeitgeist entsprechend Eingangsbauten in expressionistischer Manier. Im Zweiten Weltkrieg wurde der zentral gelegene Bahnhof schwer beschädigt und kurz vor Kriegsende wie viele Berliner Bahnhöfe geflutet, was zahllose Menschen das Leben kostete. Im Sommer 1945 reiste Stalin hier zur Potsdamer Konferenz an. Dafür wurde eigens eines der Ferngleise auf russische Breitspur umgestellt. In Zeiten der Deutschen Teilung war hier einer der wichtigsten Grenzübergänge.


Der Bahnhof Friedrichstraße | wikipedia.org


„Mit dem Bahnhof Friedrichstraße sind für mich auch viele persönliche Geschichten verbunden“, beginnt Tanja Langer zu erzählen. „Ich wollte eine Freundin treffen – treffen – 1986 war das –, die ehemalig aus der DDR geflohen war und nun über Transit anreiste, ich war ja schon drei Jahre vor der Maueröffnung nach Westberlin gezogen. Aber die Freundin kam und kam nicht über den Grenzübergang. Ich machte mir große Sorgen, dass sie in Schwierigkeiten geraten sein könnte. Und das konnte Gefängnis oder sonst was heißen. Ich wartete und wartete – damals gab es ja noch keine Handys! Schließlich bin ich zurück in den Wedding, zu meiner kleinen Wohnung, da stand sie schon vor der Tür...“.


Weit kommen wir nicht auf unserem Spaziergang. Nicht nur, dass uns der Hagel ins Gesicht peitscht – Tanja ist nicht besonders zimperlich -, aber Tanja verbindet jeden Ort, der im Umkreis von 200 Metern des Schiffbauerdamms liegt, mit einer Geschichte. „Der ‚Kartoffelkeller’, eine schräge Kneipe, da hatte ich mal eine skurrile Begegnung...“ Eine Geschichte folgt auf die nächste. Kein Wunder, dass die bekannte Autorin viel veröffentlicht und in verschiedenen Genres arbeitet.


Frühe Freundschaft zum von der RAF ermordeten Bankier


Zunächst hatte Tanja Langer Theaterstücke geschrieben, die sie oft mit ihrer eigenen Gruppe „Theater Anna Oh.“ - aufführte. Im Jahr 1999 debütierte Tanja Langer mit dem Roman „Cap Esterel“, einer Beziehungsgeschichte an der Côte d’Azur, in der ihr Talent zur überzeugenden Figurengestaltung deutlich wurde. Seitdem hat sie sechs Romane, zwei Opern-Libretti, viele Lieder, weitere Theaterstücke, zwei biografische Romane (Kleist/Henriette Vogel, Munch), einen Foto-Buchband sowie zwei Hörspiele geschrieben.


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Manche ihrer Bücher haben autobiographische Züge, soDer Tag ist hell, ich schreibe dir (2012). Darin geht sie ihrer in den frühen Achtziger Jahren – trotz politischem Dissens - entstandenen Freundschaft zum damals bekanntesten deutschen Bankier Alfred Herrhausen (1930-1989) nach, der 1989 bei einem Attentat ermordet wurde, das der Roten Armee Fraktion zugeschrieben wurde. Auch in den Roman „Der Morphinist oder die Barbarin bin ich“ (2002) waren eigene Erfahrungen eingeflossen, was den Umgang mit dem NS-Erbe im gegenwärtigen Deutschland betrifft. Meist wird die Vergangenheit aus der Gegenwart betrachtet, was ihr das Lob des ausgezeichneten Schreibens „aus dem Hier und Jetzt“ einbrachte.


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Von Oberidioten und Genies (oder: Der Weg zur Musik)


In den letzten Jahren hat sie sich zur Oper und zum Arbeiten mit Komponistinnen und Komponisten hingezogen gefühlt. Ihr jüngstes Opernprojekt heißt „Ovartaci - „crazy, queer und loveable“ und erste Szenen daraus wurden bei einem Vorkonzert in Berlin begeistert aufgenommen. Elf bekannte Komponistinnen und Komponisten der Atonale e.V. aus dem Bereich der Neuen Musik wie Martin Schneuing, Martin Daske, Rainer Rubbert oder Charlotte Seither haben jeweils einzelne Szenen von Langers Libretto musikalisch umgesetzt. Ovartaci (eigentlich Louis Marcussen) war ein dänischer Künstler, der Jahrzehnte seines langen Lebens (1894-1985) in der Psychiatrie verbrachte. Marcussen gab sich selbst den Namen Ovartaci nach dem jütländischen Wort „Overtossi“ - „Ober-Idiot“. Leben und Werk dieses Außenseiters mit reichem Innenleben haben Tanja Langer fasziniert. In einer Stadt wie Berlin mit einer hohen Künstlerdichte finden sich schneller als anderswo die richtigen Partner für solche komplexen interdisziplinären Projekte.


Büffel sind schlau, stoisch und trotzig. Und haben mit Literatur zu tun.


Vor zwei Jahren hat Tanja Langer einen Verlag gegründet: Bübül. „Wieso Bübül“, möchte ich wissen, während wir in einem kleinen Café Platz nehmen und heißen Tee trinken, denn draußen jagt immer noch ein Graupelschauer den nächsten. Und ich bekomme eine ungewöhnliche Antwort: „Ich habe in einer Nacht davon geträumt, dass ich einen Verlag gründe – mit genau diesem Namen! Ja, wirklich!“ Das Logo des Verlags ist ein kleiner Büffelkopf gestaltet von Maria Herrlich. Büffel sind schlau, stoisch und trotzig - Eigenschaften, die man sicherlich als Verlegerin in Berlins Kulturlandschaft braucht, um sich durchzusetzen. Bülbül das auch in Bübül anklingt, ist das persisch-türkische Wort für die Nachtigall, den Vogel der Poesie. Bisher laufen die kleinen Bücher des neuen Verlags ziemlich gut. Vielleicht auch, weil sie liebevoll gestaltet sind: Tanja Langer verpflichtet für jeden Band einen Bildenden Künstler. Einige Bücher sind zweisprachig. „In Berlin gibt es 126 Sprachen“, sagt die Verlegerin, „von dieser enormen Vielfalt möchte ich wenigstens ein bisschen etwas abbilden“. Ein Movens für Tanja Langer, neben ihren vielen Aufgabenfeldern noch einen Verlag zu gründen, war auch die mangelnde Experimentierlust großer Verlage. Sie wollte einfach bestimmte Projekte fördern und in bibliophiler Ausstattung zu bezahlbaren Preisen auf den Markt bringen können. In der Reihe „Der kleine Bübül“ erscheinen Kinderbücher.


Einen herausragenden Text hat Tanja Langer selber verfasst: Die Kurzgeschichte „Singvogel, rückwärts“, mit kongenialen Illustrationen von Christiane Wartberg, ist vor zwei Jahren bei Bübül erschienen. In dieser Geschichte beschreibt Tanja Langer eine familiäre Spurensuche in Polen, die nicht unpathetischer, rauer, überraschender und klischeefreier hätte ausfallen können - große Literatur.


Schriftstellerin, Salonnière, Verlegerin, Verfasserin von Opernlibretti, Theaterregisseurin, Mutter dreier Töchter – Tanja Langer, die über sich selber sagt: „Ich arbeite Tag und Nacht“ und „Trotz ist für mich ein starker Antrieb“ hat zweifellos viel Energie. Anders als viele andere Schriftsteller, die eher ein Leben im Elfenbeinturm pflegen, hat sich Tanja Langer seit Beginn der große Flüchtlingsströme nach Berlin ab Herbst 2015 sehr für die vielen Neuberliner eingesetzt. Vielleicht, erzählt sie nun, hat dies auch mit ihrer eigenen Biographie zu tun: Die Eltern waren Flüchtlinge aus Oberschlesien. So nahmen sie und ihre Familie eine junge Frau auf, die über Lampedusa aus Nigeria nach Berlin gekommen war und halfen ihr, hier anzukommen; danach betreute sie einen jungen Mann aus Mali, der wegen der Regeln des Dubliner Übereinkommens allerdings zurück nach Italien geschickt wurde, was die Autorin sehr erbost – “Was für ein Unsinn! Er hat hier Deutsch gelernt, er hatte einen Praktikumsplatz in Aussicht – so eine idiotische Politik!“


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Wo Brecht und Weigel einst zuhause waren


Der erste Sonnenstrahl fällt heute aufs Berliner Pflaster; schon springt Tanja Langer wieder auf. Sie möchte mit mir jetzt zum „BE“. Eigentlich müsste man sagen: „Theater am Schiffbauerdamm“, in Berlin redet man aber nur vom BE. Das Theater am Schiffbauerdamm ist die Spielstätte des Berliner Ensembles (BE). Der neobarocke Bau des Architekten Heinrich Seeling (1852-1932) am Bertolt-Brecht-Platz gilt als eines der prächtigsten Theater Deutschlands. Seine Geschichte spiegelt die wechselvolle deutsche Geschichte: So eröffnete das Theater 1882 mit Goethes Iphigenie auf Tauris. Auf dem Spielplan des Theaters standen auch zeitkritische Uraufführungen von Gerhart Hauptmann (Die Weber), Arno Holz, Max Halbe oder Frank Wedekind, 1928 fand hier die Uraufführung der Dreigroschenoper von Brecht und Weill statt. Es war Spielstätte bedeutender Regisseure und Schauspieler wie Max Reinhardt und Gustav Gründgens (er zeigte hier seine erste Regie), fungierte jedoch auch, insbesondere im Ersten und Zweiten Weltkrieg, als Operettentheater und verbreitete bis zur kriegsbedingten Schließung im Herbst 1944 eine Durchhalte-Ideologie.


Seit 1954 ist das Haus Spielstätte des von Helene Weigel und Bertolt Brecht gegründeten Berliner Ensembles. Seitdem hat es viele berühmte Intendanten gesehen, von Peter Zadek über Heiner Müller bis hin zu Claus Peymann. Hier hat die Schriftstellerin als Studentin Volker Brauns „Übergangsgesellschaft“ gesehen, Stücke von Heiner Müller und später von Zadek. „Das Deutsche Theater liebe ich aber auch“, sagt sie, „dort habe ich in den letzten Jahren mit das Beste gesehen, was Schauspielkunst und Regie zu bieten haben.“


Theater am Schiffbauerdamm | © wikipedia.org


Vom BE ist es nur ein Katzensprung zum Bahnhof Friedrichstraße. Von hier geht es zurück in den Südwesten Berlins. Obwohl Tanja Langer mit ihrem Lebensgefährten und ihren Töchtern am Wannsee lebt, fährt sie oft ins Zentrum von Berlin. Vielleicht bringt Tanja Langer deshalb so viel Energie für ihr eigenes Schreiben, für den neuen Verlag, für interdisziplinäre Projekte und für die humanitäre Hilfe auf, weil sie einen Rückzugsort vom Trubel und vom bunten Treiben in Berlins Innenstadt hat. Aber „immer wenn ich hier am Schiffbauerdamm stehe, den Bahnhof Friedrichstraße vor mir und diesen weiten Blick – wie weit man hier nach Ost und West gucken kann! – dann weiß ich, ich bin sehr gern hier“, so die Schriftstellerin.


Autorin: Tanja Dückers, geboren 1968 in Berlin (West), ist Schriftstellerin und Publizistin. Zu ihren Werken zählen die Romane Himmelskörper, Der Längste Tag des Jahres, Spielzone, Hausers Zimmer, der Essayband Morgen nach Utopia sowie mehrere Lyrikbände und Kinderbücher. Sie schreibt regelmäßig über gesellschaftspolitische Themen für die ZEIT Online und das DeutschlandRadio und lebt mit ihrer Familie in Berlin.

Copyright: Goethe-Institut China





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